Superfight Muhammad Ali vs. Rocky Marciano
Wer ist der größte Boxer aller Zeiten? Muhammad Ali, Mike Tyson oder vielleicht Rocky Marciano? Stoff für viele Diskussionen und Streitereien unter Fans in aller Welt. Geklärt werden konnte die Fragen aller Fragen noch nie. Oder doch? Zumindest ist 1967 der Radiomoderator und Boxpromoter Murray Woroner dieser Frage nachgegangen. Er war sich sogar sicher, dass er mit seinen subtilen “Forschungsergebnissen“, den ein Computer mit der Bezeichnung NCR 315 errechnet hatte, den ultimativen Weltmeister im Schwergewicht ermittelt habe.
NCR 315 sollte mit 64 Kilobyte den ultimativen Champ errechnen
Am Anfang ließ Woroner die 16 bekanntesten und stärksten Champions, die man bis dahin kannte, am Computer gegeneinander antreten. Ihr habt richtig gelesen, an einem Computer der 1960’er Jahre, der kaum mehr Rechenleistung als ein Commodore 64 von 1981 hatte. Falls jemand jetzt den Commodore 64 nicht kennt: Das war der allererste “Heim-PC“, der kleine und große Kinderherzen seinerzeit höher schlugen ließ. Die 64 stand übrigens nicht für Gigabyte, sondern für Kilobyte. Bleiben wir aber in den guten alten Sechzigern. Die Herkulesaufgabe bewältigen sollte ein Computer namens NCR 315, der so groß war, dass er mit Leichtigkeit 3 Studentenbuden hätte füllen können
Natürlich war dieses „Monstrum“ nicht mal im Ansatz in der Lage eine solch schwere Frage zu berechnen oder zu beantworten. Daher bezog Woroner 250 Boxexperten in sein Experiment mit ein und entwarf dazu Fragebögen, die von angesehenen Fachleuten nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet werden sollten. Ähnlich wie bei einem modernen Spiel für die Konsole, sollten die Auserwählten die Fähigkeiten und Skills der Boxer, wie zum Beispiel Geschwindigkeit, Jap, rechter oder linker Haken, Nehmerqualitäten und auch psychische Stärken einschätzen. Ein weiteres Team von Experten hatte zudem die Mammutaufgabe, jeden gelandeten Schlag aus den fünf stärksten Jahren der Boxer in akribischer Arbeit festzuhalten.
Finale Jack Dempsey vs. Rocky Marciano
Nachdem man alle Ergebnisse zusammengetragen hatte, wurde der „Monster-Computer“ mit allen Daten der Boxer gefüttert. Mit seinem 64 KB benötigte der NCR 315 anderthalb Jahre, bis er den ultimativen Champion errechnet hatte bzw. wurde zuerst ein Finale zwischen den Boxlegenden Jack Dempsey und Rocky Marciano ermittelt.
Finale im Radio
Das Finale wurde als virtueller Kampf im Radio übertragen. Kein Amerikaner wollte sich diese “Technische Innovation“ und vor allem die angebliche Frage aller Fragen entgehen lassen: Marciano oder Dempsey? Wir wollen Euch an dieser Stelle Details ersparen. In Runde 13 schlug Marciano seinen Kontrahenten K.o., womit die Frage zumindest für den damaligen Zeitpunkt beantwortet schien. Rocky Marciano nahm den Titel des „All-Time Computerized Heavyweight Champion“ mehr aus Spaß entgegen. Aber statt damit die Frage ein für alle Mal geklärt zu haben, kam nun die Diskussionen richtig in Fahrt und die berechtigte Frage, wo Muhammad Ali abgeblieben war.
Wo war Muhammad Ali?
Muhammad Ali, so wie man ihn kennt, war mehr als nur aufgebracht über dieses Ergebnis. Er war damals in der traditionsreichen Boxgeschichte der einzige ungeschlagene Boxchampion neben Marciano. Laut dem Computer schied „The Greatest“ im Viertelfinale gegen Jim Jeffries aus. Wer Ali kennt, eine nicht hinnehmbare Angelegenheit, die mit mehr als nur mit der Suche nach dem besten Boxer aller Zeiten zu tun hatte. Für Ali war es schlicht und ergreifend Rassismus und eine Demütigung seiner Person und aller anderen schwarzen Boxer. Ali war übrigens ein glühender Anhänger von Jack Johnson, der als erster Schwarzer überhaupt Boxweltmeister wurde.
Klage wegen Verleumdung
Und genau dieser Johnson war es, der 1910 Jim Jeffries in der 14. Runde K.O. schlug und den Traum der
Amerikaner nach einem weißen Champion zunichtemachte. Für Ali war es also mehr als nur eine Niederlage am Computer. Für ihn war es die Quittung dafür, dass er sich geweigert hatte, in Vietnam zu kämpfen. Er hatte zu diesem Zeitpunkt wegen dieser politischen Frage auch seinen Titel und die Boxlizenz verloren.
Der streitbare Champ verklagte Woroner aufgrund des Computerkampfes wegen Verleumdung. Es kam aber lediglich zu einem Vergleich, bei der Ali 9999 Dollar zugesprochen bekam. Im Anschluss willigte er ein, gegen den sich im Ruhestand befindenden Rocky Marciano in den Ring zu steigen. Wie die Kämpfe zuvor sollte auch dieser Kampf vom NCR 315 im Voraus analysiert und berechnet werden.
Bevor das Ergebnis der breiten Masse der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde, stiegen die beiden Super-Champions im Juli 1969 in Miami zu einem geheimgehaltenen Showkampf in den Ring. Dabei sollten die beiden Größen nur die Berechnungen des Computers nachspielen. Marciano hatte zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre nicht mehr im Ring gestanden. Ali selbst hatte wegen seiner Sperre zwei Jahre aussetzen müssen.
So kam es zum Aufeinandertreffen zwischen “The Brockton Blockbuster“, der mit seinen 1,80 oder 1,79 Meter der kleinste Weltmeister aller Zeiten war und immer noch ist und dem “The Greatest“, der mit 1,90 Meter Marciano nicht nur in der Körpergröße deutlich überragte, sondern auch mit seiner Schlagreichweite von 203 zu bescheidenen 170 Zentimetern von Marciano, stolze 33 Zentimeter voraus hatte.
Marciano gewinnt gegen Ali
Aus dem ein-minütigen 70 Runden Mix aus Schauspielerei und Sparrings-Runden wurde anschließend ein Film zusammen geschnitten. Welches Ergebnis der NRC 315 berechnet hatte, wurde den zwei Ex-Weltmeistern angeblich vorenthalten. Am 20. Januar 1970, dem Tag der Uraufführung, sollten die beiden “Kontrahenten“ das Ergebnis erfahren. Doch Marciano kam am 31. August 1969, einen Tag vor seinem 46. Geburtstag, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Aber wahrscheinlich wussten er und Ali schon vorher, wer den Kampf gewonnen hatte. Muhammad Ali sagte zuvor einem Reporter, dass der Computer kein Idiot sei. Tatsächlich gewann Marciano gegen Ali laut Film und den Berechnungen des Computers durch K.o. in der 13. Runde.
Die Wahrheit ist, dass man bis heute noch keinen Computer entwickeln konnte, der glaubwürdig einen Kampf zwischen zwei Champions vorausberechnen kann. Die Tendenzen schon, aber das können auch wir Fans, mit ein bisschen Basiswissen und natürlich Bauchgefühl. Dass der NRC 315 überhaupt etwas errechnet hatte, glaubt bis heute kaum ein Experte in Anbetracht seiner Rechenleistung. Auch unser Menschenverstand sträubt sich vehement dagegen.
Unerreichte Vorbilder
Für den „Superfight“ zwischen Ali und Marciano darf man sich trotzdem bedanken. Dieser Showdown zweier Legenden zeigt uns in der heutigen Zeit, wo das Boxen auf Mixed Martial Arts immer mehr Boden verliert, wie vielseitig der klassische Faustkampf sein kann und wie unterschiedlich Boxstile sind, aber man trotzdem mit allen Stilen erfolgreich sein kann.
Wer nun wirklich gewonnen hätte, wenn beide in ihrer Prime gegeneinander angetreten wären, ist uns eigentlich egal. Was bleibt, sind zwei großartige Menschen, die nicht unterschiedlicher sein konnten. Muhammad Ali, der extrovertierte Showman, der als eine Art boxender “Che Guevara“ zu seinen Lebzeiten den Ruf eines Propheten besaß und Rocky Marciano, ein stiller Mensch ohne große Starallüren. Aber beide verbindet bis heute etwas sehr Wichtiges: Sie waren im Ring und Abseits der großen Arenen immer großartige Champions und bis heute unerreichte Vorbilder.
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