Boxen „Made in Germany“: Papier-Weltmeister & Fehlurteile

„Genau das, was der Boxsport brauchte“

Boxen erlebt aktuell eine Renaissance und ist beliebt wie schon lange nicht mehr. Dazu beigetragen haben zuletzt Oleksandr Ussyk, der den vierfachen Weltmeister Anthony Joshua entthronen konnte und vor allem der Kampf vom letzten Wochenende zwischen Tyson Fury und Deontay Wilder, der mit seiner Dramatik in die Geschichte einging. Selbst Dana White, Präsident der MMA-Organisation UFC, sieht dieses Duell als sehr hilfreich für den Boxsport an.

Dana White:

Die Trilogie Tyson Fury vs. Deontay Wilder war genau das, was der Boxsport brauchte.

Dem kann man sich nur anschließen. Es ist gut möglich, dass sich die internationale Szene langsam in einem Wandel befindet und die Verbände und Promoter hoffentlich verstanden haben, dass es so wie in der Vergangenheit nicht mehr weitergehen kann, als es wöchentlich unerträgliche Fehlurteile gab. Die meisten waren nicht auf menschliches Versagen zurückzuführen, sondern leider scheint oft Korruption im Spiel zu sein. Doch die Fans haben genug davon. Wer möchte schon seinen Lieblingskämpfer zu unrecht gewinnen sehen? Höchstens irgendwelche Realitätsleugner, die keinerlei Ahnung von Boxen haben, aber gerne fröhlich mit ihrer Fahne wedeln, wenn ihr Kämpfer angeblich gewonnen hat. Doch für den eingefleischten Boxfan geht es gar nicht mehr um die Flagge, sondern um Qualität im Ring. Und das wird gerade in den beiden führenden Box-Nationen USA und Großbritannien im Moment geliefert.

Vor einigen Jahren hätte man aus dem glasklaren Sieg von Oleksandr Ussyk gegen Anthony Joshua mindestens ein Unentschieden gemacht oder hätte gar Joshua gewinnen lassen, damit der Brite seinen Titel behalten kann und so ein „Papier-Weltmeister“ bleibt. 

Im deutschen Ringgeviert sieht es düster aus

Richtet man seinen Blick nach Deutschland, sieht es düster aus. Vom neuen Wandel ist hierzulande nichts zu spüren, ganz im Gegenteil, Boxen befindet sich weiterhin in der Gosse, wohin ihn die etlichen Fehlurteile der letzten zwei Jahrzehnte verfrachtet haben.

Am vergangenen Wochenende wurde in Magdeburg um eine „Weltmeisterschaft“ geboxt und der wahrscheinlich reichste TV-Sender der Welt, die ARD, übertrug das Ereignis live in die deutschen Wohnzimmer. Im Hauptkampf trafen sich Dominic Bösel und der IBO-Weltmeister im Halbschwergewicht, Robin Krasniqi, zu einem Rückkampf. Im ersten Aufeinandertreffen vor einem Jahr hatte Krasniqi Titelträger Bösel ausgeknockt und sich den Titel geholt.

Im Rückkampf gewann diesmal Bösel wie zu erwarten war umstritten nach geteilten Punkten und durfte sich den Gürtel des kleinen Boxverbandes IBO wieder um die Hüften schnallen. Zu erwarten war das umstrittene Urteil und nicht der Sieg von Bösel. Doch oh Wunder, die Zeiten scheinen vorbei zu sein, als nahezu jede Woche die Fans bei den deutschen TV-Sendern und in den Hallen mit Fehlurteilen auf den Arm genommen wurden. Früher schluckten die Fans noch die vielen „Witz-Urteile“, aber heute sorgen diese Urteile dafür, dass die gleichen Fans, die eigentlich gewillt sind, dem heimischen Boxsport eine Chance zu geben, sich in Scharen abwenden.

Deutscher Name unwichtig

Ehrlicherweise haben wir den Kampf erst gar nicht geguckt, dafür uns lieber für das Mega-Duell zwischen Deontay Wilder und Tyson Fury in der Nacht ausgeruht. Es war absolut abzusehen, was in Deutschland einmal mehr passieren würde. Die entrüsteten Kommentare der Fans quer durch die sozialen Medien reichen dabei vollkommen aus, um sich ein gutes Bild davon zu machen und um zu wissen, dass der deutsche Boxsport aus der Gosse nicht mehr rauskommen will. Dorthin hat man ihn in der Vergangenheit mit katastrophalen Fehlurteilen verfrachtet und die Verantwortlichen heute scheinen entweder unfähig oder einfach nur geldgierig zu sein, um diesem Zustand mit den vielen „Kirmes-Veranstaltungen“ ein Ende zu setzen.

Den Fans hierzulande ist es, anders als wir vor einiger Zeit noch selbst glaubten, auch nicht wirklich wichtig, dass die Kämpfer einen deutsche Namen besitzen, was unter anderem beliebte Boxer wie Luan Krasniqi und allen voran das ukrainische Brüderpaar Vitali und Wladimir Klitschko jahrelang unter Beweis stellen konnten. Die Deutschen rissen sich um die Karten ihrer Lieblinge und gerade Auftritte der Klitschkos füllten riesige deutsche Fußballstadien. Viele wollten einfach mal dabei sein, andere kamen zu jedem Event. Hauptsache man bekam für sein Geld das, was einem versprochen wurde. Natürlich muss man so ehrlich sein und sich eingestehen, dass einige der letzten Gegner von Wladimir Klitschko zum Ende seiner Karriere auch immer wieder chancenlose Leute wie Alex Leapai oder Jean-Marc Mormeck waren, verpflichtet, um mit dem alternden Weltmeister augenscheinlich so lange wie möglich Kasse machen zu können. Gewonnen hatte Klitschko seine Kämpfe aber trotzdem.

Bei unseren künstlich hochstilisierten deutschen Boxern läuft das anscheinend etwas anders ab. Hier könnte man glatt auf die Idee kommen und denken, dass ein Vertrag mit einem Sender automatisch ein Sieg-Garantie beinhaltet, egal wie man boxt.

Und kurz zurück zum anscheinend gelackmeierten Robin Krasniqi. Es ist nämlich nicht so, dass wir den Deutsch-Kosovaren irgendwie bemitleiden würden, war er doch selbst schon auf der anderen Seite und profitierte von einem Fehlurteil. Aber alles Vergangenheit. 

Papier-Weltmeister, Fake-Nationalitäten & Tragödien

Das alles ist ein Tragödie für den deutschen Boxsport und seit Jahren prangern viele diese unhaltbaren Zustände an. Es ändert sich aber nichts. Die Fans wollen echte Kämpfe sehen und nicht irgendwelche Papier-Weltmeister, die vor dem ersten Gong als Sieger schon feststehen. Wir lieben charismatische Typen, die eine Geschichte haben und nicht Fake-Nationalitäten, die uns unter einem Künstlernamen eine falsche Identität vorgaukeln. Natürlich freut sich jeder Italiener, Russe oder Deutsche über Erfolge seiner eigenen Sportler, aber wie man an zig Beispielen sieht, ist der Inhalt wichtiger als das Etikett. Wir wollen guten und seriösen Boxsport „Made in Germany. Am Ende ist es uns gleich, ob ein Kubaner oder ein Spanier in den Hallen für Furore sorgt und das ist uns tausendmal lieber, als ein unverdienter Sieg eines Deutschen.

Weg von den Boxställen?

Was kann man jetzt tun, um Abhilfe zu schaffen, um auch hierzulande den Boxsport auf die Beine zu helfen? Vielleicht sollten wir bei den TV-Sendern beginnen, die den Geldkoffer aufmachen. Die ARD könnte ihr Konzept noch einmal überdenken und sich in Zukunft nicht an einen einzelnen Boxstall klammern, sondern unabhängige Matchmaker engagieren und Events mit wechselnden Kämpfern veranstalten, ohne einen Zielkämpfer zu haben.

Man könnte zudem Weltmeisterschaften ersteigern und im Vorprogramm oder im Co-Mainevent die deutschen Hoffnungsträger einsetzen. Nach der Veranstaltung würde man alle bezahlen und man hätte keine gegenseitige Verpflichtungen mehr.

Experten mit jungen Visionen

Auch die Experten sollten ständig wechseln. Vorbei wären dann die Zeiten, wo man Ehemaligen mit langfristigen Verträgen die Taschen voll macht. Ist man zu parteiisch oder redet Unsinn, wird man nicht mehr engagiert. Es gibt noch zig andere Ideen und eine Chance, auch den deutschen Boxsport zu retten, aber dafür müsste man endlich mit anderen Leuten reden, statt immer wieder die gleichen Protagonisten an Bord zu holen. Es braucht Experten mit jungen Visionen, die ein großes Interesse daran haben, Boxen „Made in Germany“ wieder inhaltlich zu einer Marke zu machen und nicht nur auf dem Etikett.

Vom Gossen-Sport und Weltmeistern auf dem Papier haben die Fans genug.

Natürlich wird es Korruption und Fehlurteile auch in Zukauft geben, auch in den USA und Großbritannien, aber es gilt diese so gut es geht einzudämmen und alles dafür zu tun, dass der Boxsport sauber wird. Wichtig ist, dass wir Fans entscheiden, ob betrogen wird oder nicht. Schalten wir unseriöse Events ab, werden sich die Veranstalter auch zum Besseren wandeln.

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