Die Stunde Null nach dem Rücktritt von Khabib Nurmagomedov
Khabib Nurmagomedov ist am Samstag nach seinem Sieg gegen Justin Gaethje überraschend zurückgetreten. Zwar deutete der UFC-Superstar sein Karriereende schon etwas länger an, aber sein endgültiger Abschied sollte erst nach einem Duell gegen UFC-Legende Georges St. Pierre im kommenden Frühjahr vollzogen werden. Der Name Conor McGregor spielte bei den Planungen seines 30. Kampfes keinerlei Rolle. Den Iren hatte Nurmagomedov schon im September 2018 vernichtend geschlagen, somit gab es für den Kaukasier keinen Grund mehr für ein zweites Duell. Doch niemand hätte zuvor erwartet, dass ausgerechnet nach Justin Gaethje Schluss ist. Wenn man allerdings in die Gefühlswelt des stolzen Dagestaners blickt, versteht man den Abschied, der auch eine große Chance für das Leichtgewicht bedeutet.
McGregor als Barriere
Es ist kein Geheimnis mehr, dass Nurmagomedov seinen Job als Kämpfer sehr ernst nahm. Der McGregor-Klamauk war ihm stets zuwider, obwohl er in seinen frühen MMA-Jahren den Iren für seine Kampfkünste noch bewunderte. Doch mit seinem eigenen Aufstieg und McGregor als Barriere vor sich, sank das Ansehen des Iren in den Augen Nurmagomedovs. Unterschiedlicher können zwei Menschen auch nicht sein. Auf der einen Seite der streng gläubige Dagestaner, der nach seinen Kämpfen immer erst seinem Schöpfer dankte, danach seiner Familie und seinem Team und für den Luxusgüter keinerlei Bedeutung zu haben schienen und auf der anderen Seite der saufende, Whisky produzierende und skandalträchtige McGregor, der auf edle Kleidung und teure Sportwagen steht und zumindest nach außen hin keinen Respekt vor Nurmagomedov zu haben schien.
Warum also gegen die irische Skandalnudel noch einmal kämpfen? Da gab es immerhin noch einen gewissen Tony Ferguson, der einer der größten Stars der UFC ist. Doch fünfmal fielen feststehende Duelle gegen den US-Amerikaner ins Wasser. Die Fans sprachen schon von einem Fluch. Auch für den gestrigen Samstag war ursprünglich ebenfalls Ferguson als Gegner für Khabib eingeplant. Doch El Cucuy, so der Kampfname von Ferguson, verlor am 9. Mai nicht nur überraschend den Kampf gegen Gaethje, sondern auch seine letzte Chance auf das Duell der Duelle, auf das Fans in aller Welt schon lange hin fieberten.
Doch seit gestern gehören alle Überlegungen der Vergangenheit an. Khabib hat die Welt des Kampfsports von einem auf den anderen Tag verlassen – zumindest als Kämpfer.
UFC hielt Khabib lange Zeit klein
Er war als Mensch und Athlet so unvorhersehbar wie das Wetter in den Bergen seiner Heimat Dagestan, doch in seinen Entscheidungen so hart wie das Gebirge des Kaukasus‘, was er mit seiner Entscheidung aufzuhören untermauerte. Khabib verlässt die UFC als Legende und eine Organisation, die ihn lange Zeit klein hielt und ein ihm Showtalent wie Conor McGregor vorzog.
Ein Beispiel:
Im September 2016 unterzeichnete Nurmagomedov zwei Verträge für einen UFC-Titelkampf gegen den amtierenden Leichtgewicht-Champion Eddie Alvarez. Geplant war, dass er entweder auf der UFC 205 oder 206 um den Titel kämpfen sollte. UFC-Präsident Dana White bestätigte sogar das Duell für die UFC 205. Am 26. September kam es zu einer überraschenden Kehrtwende Seitens der MMA-Organisation. Alvarez sollte plötzlich den Titel gegen Conor McGregor verteidigen. Nurmagomedov ließ das nicht auf sich sitzen und nannte Alvarez einen „Schwachsinns-Champion“, da er den Kampf gegen ihn abgelehnt und sich stattdessen für das Duell gegen McGregor entschieden hatte. Er nannte die UFC in diesem Zusammenhang gar eine „Freak-Show“. Fans und Experten mutmaßten, dass Alvarez schlicht Angst vor Nurmagomedov hatte und sich daher auf die vermeintlich leichtere und von der Börse her sicherlich lukrativere Aufgabe gegen McGregor einließ.
Der langersehnte Titel
Erst am 7. April 2018 konnte sich Khabib Nurmagomedov zum UFC-Champion krönen. Aber selbst der Weg dorthin lief nicht nach Plan. Erst verletzte sich Khabibs Gegner Tony Ferguson und somit fiel zu diesem Zeitpunkt zum vierten Mal ein Duell zwischen den beiden Top-Athleten aus und anschließend wurde der Ferguson-Ersatz Max Holloway einen Tag vor dem Kampf aus dem Verkehr gezogen, da er wegen einer extremen Gewichtsreduzierung von der New York State Athletic Commission (NYSAC) für nicht wettkampftauglich erklärte wurde. Langsam aber sicher glaubte man auch als Außenstehender an eine Verschwörung gegen Nurmagomedov. Auch Anthony Pettis und Paul Felder wurden abgelehnt, so dachte man schon, dass der Titelkampf ausfallen würde. Doch letztendlich fand man in letzter Sekunde mit Al Iaquinta einen Gegner, auch wenn keinen absoluten Top-Mann, aber das war zu diesem Zeitpunkt egal.
Nurmagomedov dominierte den Titelkampf und gewann erstmals den Leichtgewichtstitel der UFC. Alles andere ist Geschichte, genau wie später die Umstände um das Duell zwischen ihm und McGregor, der in einem handfesten Skandal endete.
Dominanz von einer anderen Welt
Khabib Nurmagomedov bewies als Champion, dass er im Leichtgewicht der größte Kämpfer aller Zeiten ist. Seine dominanten Auftritte waren in der Form seiner Kampfführung beispiellos. Sicherlich war sein Kampfstil nicht immer so attraktiv wie die von einigen Standkämpfern, aber seine Dominanz schien dagegen nicht von dieser Welt zu sein.
Verlust des Vaters
Als sein Vater Abdulmanap am 3. Juli im Alter von nur 57 Jahren an den Folgen einer Covid-19 Erkrankung starb, brach für den Familienmenschen Khabib eine sehr wichtige Säule weg. Es ist für Menschen im Westen oft schwer zu begreifen, wie sehr der Tot eines Angehörigen jemanden aus anderen Kulturen aus der Bahn werfen kann. Diese Menschen haben oftmals keine Angst vor dem eigenen Dahinscheiden, aber der Verlust eines geliebten Menschen bringt ihre ganze Welt ins wanken. Man ging deshalb auch davon aus, dass Khabib eine lange Pause einlegen würde. Doch überraschend kam er früher zurück, um gegen Gaethje zu kämpfen.
Khabib wirkte im Vorfeld dieses Duells teilweise leer und bei der Waage gar saft- und kraftlos. Man hatte schon Befürchtungen, dass er nicht in bester Verfassung gegen Puncher Gaethje antreten würde. Doch dann belehrte uns der Dominator eines Besseren. Niemals zuvor hat man einen besseren Khabib im Stand kämpfen sehen. Unnachgiebig trieb er Justin Gaethje vor sich her. Der US-Amerikaner pumpte schon zur Hälfte der ersten Runde und konnte sich kaum befreien. In der zweiten Runde machte “The Eagle“ den Sack zu und bezwang Gaethje durch einen Triangle Choke der Extraklasse. Anschließend brachen bei Nurmagomedov alle Dämme. Er sank auf die Knie und weinte mit verschränkten Armen bitterliche Tränen. Auch weil ihm in diesem Moment sicherlich bewusst wurde, dass seine Karriere vorbei war. Doch vor allem seinem Vater galten seine Emotionen, also dem Mann, dem er alles zu verdanken hatte.
Rücktritt Mutter versprochen
Bei der Verkündung seines Rücktritts waren dann die Fans ergriffen. Kurz zuvor hatten wir noch darüber philosophiert, inwiefern ein Kampf gegen Altmeister Georges St. Pierre Sinn machen könnte. Doch selbst dieses Duell wird es nicht geben. Was bleibt ist, einem großen Kämpfer den nötigen Respekt zu zollen.
Später erfuhren wir, dass sein Rücktritt etwas damit zu tun hatte, dass er seiner Mutter versprochen hatte, nicht ohne seinen Vater an seiner Seite zu kämpfen. Nur noch dieser eine letzte Kampf sollte es werden.
Die Stimmen des GFN-Teams
Das German Fight News Team um Chefredakteur Momo Sa und den beiden UFC-Experten Alex und Marian konnten es kaum glauben, dass der aktuell größte Kämpfer auf der Erde sich verabschiedet hatte.
Alex:
„Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Khabib nicht wiederkommt. Ich denke, dass er nun als Trainer Islam Makhachev zum Titel führen wird. Khabib tritt als absolute Legende ab. Allerdings wird nun das Leichtgewicht wieder interessanter und konkurrenzfähiger werden, einfach weil Khabib alle rasiert hat. Ihm hätte niemand das Wasser reichen können. Poirier, Conor, Gaethje, Chandler, Ferguson!
Mich würde es nicht einmal wundern, wenn die UFC aus Conor gegen Poirier einen Titelkampf macht. Aber alles noch Zukunftsmusik.“
Marian:
„Die Lücke ist natürlich groß jetzt. Wahre „Größe“ erkennt man oft erst im Nachhinein. Ich glaube in ein paar Jahren wird noch klarer sein, wie unglaublich 29-0 ist. Und vor allem, wie dominant jeder einzelne Sieg war. Man gönnt es ihm natürlich total, ist aber auch enttäuscht, so einen Athleten nie wieder in einem Kampf zu sehen. Hoffentlich bleibt er der UFC erhalten. Er ist einfach ein Charakter, der gezeigt hat, wie es auch anders gehen kann.“
Momo:
„Khabib hat es allen bewiesen. Als MMA-Fan hatte man immer die Hoffnungen, dass er die 30-0 anpeilt und der letzte Kampf gegen GSP ist. Als MMA-Romantiker tut der Abgang mir mehrfach weh, ist aber nachvollziehbar. Am Ende sollte man vor allem aber dankbar sein für das, was er dem Sport gegeben hat und auch noch geben wird.“
Wichtigste Sport-Persönlichkeit der Gegenwart
Auch wenn es da draußen immer noch Hater gibt, die Nurmagomedovs Leistungen selbst nach seinem letzten Kampf nicht anerkennen wollen, verneigt sich der Großteil der Fans vor einem der wichtigsten Sport-Persönlichkeiten der Gegenwart.
Wir in der German Fight News Redaktion wünschen Khabib für seine Zukunft alles Gute und viel Erfolg bei all seinen bevorstehenden Planungen. Sollte er als Trainer zurückkehren, werden wir auch das versuchen gebührend zu begleiten.
Danke für die spannende Zeit Khabib. ❤️
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