Der Uchi-Deshi – Bloodsport – Eine wahre Geschichte

10995396_760985904019035_7688168281907962229_nHallo Freunde des Kampfsports.
Vor wenigen Jahren dachte ich bei den Begriffen K-1 oder MMA noch an muskulöse, zwielichtige,
kahlrasierte Männer, die sich abends in dunklen Hinterhöfen treffen, um sich dann gegenseitig die
Seele aus dem Leib zu prügeln.
Heute ist dieses Image zum Glück beinahe Geschichte. Kampfsport ist viel bekannter, nicht zuletzt
durch prominente Beispiele, dadurch wurden viele Klischees bereinigt. Zum einen zeigt unser hoher
Frauenanteil dass dieser Sport keineswegs vom Geschlecht abhängig ist.

Zum anderen sind schondie Kleinsten fleißig am Trainieren und auch nach oben gibt es keine
Altersgrenze. Jeder bestimmt für sich selbst wie weit er geht und wann er aufhört.
Beim Kampfsporttraining wird der ganze Körper beansprucht, man baut Kondition auf und wird
beweglicher. Auch in mentaler Hinsicht hat Kampfsport eine Menge zu bieten. Wer regelmäßig
trainiert, wird im Alltag gelassener und entspannter. Das Wissen einen Kampfsport zu beherrschen
verleiht außerdem mehr Selbstsicherheit und führt so zu einer komplett neuen, positiven Ausstrahlung.
Kampfsport hat also nichts mit wüsten Schlägereien zu tun. Vielmehr mit Disziplin, Konzentration, taktischer Intelligenz und einem Willen aus Stahl!
Da ist ein Anfänger, wie ich natürlich einigermaßen sprachlos, als mich die German Fight News Redaktion anschrieb und fragte, ob ich meine Geschichte nicht direkt auf einer speziellen Plattform für Kampfsport und somit auch einem größeren Publikum vorstellen möchte?
„Mich?“, fragte ich skeptisch.
„Ja, Dich.“, war die knappe Antwort des GFN-Chefredakteurs.
Zunächst habe ich ihn gefragt, warum ausgerechnet ich wohl interessant sein könnte? Liegt es daran, das ich auf äußerst interessante Weise ein „Uchi-Deshi“, ein Meisterschüler, des Kyokushin Karate wurde? Daran, das ich beinahe so alt wie eine Schildkröte bin und dennoch Vollkontaktkarate und K-1 trainiere? Daran, das mir mein Meister den Namen „Padawan“ gab, der seither meine Hose ziert?
Weit gefehlt.
Die German Fight News Redaktion hat über das Offensichtliche hinaus, noch weitere, sehr gute Argumente gefunden, die mich überzeugt haben. Es macht mich sehr stolz und freue mich darüber, das Ihr mich in den nächsten Monaten auf meinem Weg, exklusiv, auf der German Fight
News begleiten könnt.
In diesem Sinne: Viel Spaß dabei!
Euer „Padawan“

内弟子

TAG 1 – SCHMERZ IST SCHWÄCHE DIE DEN KÖRPER VERLÄSST.

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Schmerz lass nach

 

Mein erster Trainingstag ist vorüber – also morgen oder übermorgen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, nicht wahr? Jetzt sterben aber erstmal alle faulen Körperzellen in mir ab…so fühle ich mich grade. Jetzt nicht so die Jammernummer, ich kenn das ja alles, aber eins ist mal ganz sicher: Jeder Kippe die ich je geraucht habe, bin ich heute begegnet.

Basistraining und leichtes Sparring standen heute auf dem Plan. Nach 15 Minuten aufwärmen lief der Schweiss an mir herunter, wie auf einer Wasserrutsche in diesen Freizeitparks.

Krass. Immer weiter.

Dehnen ist wichtig. Ich bin steif wie ein Brett. Lambada ist nicht so mein Ding. Robotdance wohl eher. Die anderen Schüler bewegen sich flüssig und geschmeidig – ich nicht. Dehnen ist für mich einfach nur purer Schmerz. Aber, was soll´s? Ich wollte es so.

Sparring beginnt. Mir steht Ibrahim gegenüber. Ein junger Mann von 17 Jahren, mit Händen und Unterarmen, wie ein Fleischermeister. Na prima – ich habe ihn bereits kämpfen gesehen. Wir beginnen, sehen uns an, ich sage:“Ich hab keinen Plan was ich jetzt machen soll?“ Bumm! haut mir Ibrahim eine rein. „Mach das!“ – ich mache das und wir pendeln uns tatsächlich aufeinander ein. Super! Er lässt mich die Kombinationen die Meister Karaman mir vor einiger Zeit zeigte, an ihm üben, doch natürlich wehrt er sich auch. Wenn er das macht, gerate ich aus meinem Takt und vergesse schon wieder, was ich machen soll – Ibrahim erinnert mich, danach schmerzt mein Magen! Danke. Weiter gehts.

Meister Tasev sieht das ich nur einstecke und unterbricht. Er zeigt mir wie ich blocken muss, um direkt meinen Gegenangriff zu starten. Meine Barriere im Kopf ist, als ehemaliger Selbstverteidigungssportler (Ju-Jutsu) will ich weg von meinem Angreifer, also raus aus dem Angriff, werfen oder sicheln.

Kyokushin Karate verlangt von mir, das ich das genaue Gegenteil vollbringe: Reingehen in den Mann und umboxen!

Es ist noch ein weiter Weg.

Meister Tasev ist zufrieden mit uns und teilt uns in einzelne Gruppen auf. Bülent Karaman, Meister Cezmi Karaman und Mustafa Nas nehmen mich in die ihre.

3 Weltmeister! Lernen macht Spaß!

Kombinationstraining schult die Hand-Augen-Koordination. Meister Tasev
zeigt die verschiedenen Übungen – immer abwechselnd.

Ungeduldig und aufbrausend ärgere ich mich, weil vieles einfach nicht sofort klappt. Meine drei Partner bemerken das. Meister Cezmi spricht zu mir:“Sven. Du musst ruhiger werden.“ Ich schaue ihn an und weiß ich muss nicken. Ich nicke ein: Ja.

Ruhiger werden. Das Ziel fokussieren. Die Technik sauber ausführen. Sicher stehen. Mein Auftrag für heute ist mir nun klar – alles beginnt, wie immer, im Kopf.

„Bist Du links- oder rechtshändig?“ fragt mich Meister Tasev. „Das weiß ich nicht, ich kann mit beiden arbeiten.“ „Mit welcher Hand schreibst Du denn?“ „Rechts.“ „Normalauslage.“ war das Fazit. Meister Tasev und Meister Cezmi wissen was zu tun ist. Das reicht mir.

Wir üben weiter an dem dicken Boxkissen. Meister Cezmi hält, ich greife an. Am Schluß unseres Fausttrainings, eine Viererkombo: Führungshand, Schlaghand, Führungshand, Aufwärtshaken. Das Ganze auch mit Knie. Links – Rechts, abwechselnd.

Weil ich nicht begreife, was ich machen soll nimmt mich Meister Cezmi beiseite, er bringt mich an den schwarzen Monstersack dem ich schon einmal begegnet bin! Wir sind keine Freunde, Meister Cezmi weiß das – weil der blöde Boxsack sich nicht bewegt hat auf meine Ansprache und ich fast ausgeflippt bin.

Er zeigt mir wie die Schläge zu sitzen haben. „Bamm! Bumm! Bämm!“ Der Sack pendelt. Hin und her. „Du stoppst den so erstmal! Verstehst Du? Nimm Distanz und dann die Schlaghand raus! Dann wieder Jab! Dann das Knie! Du musst deinem Gegner zeigen: Bis hier hin und nicht weiter!“ Er sieht in mein fragendes Gesicht, ich peile mal so gar nichts.

„So sagst Du im Ring: Hallo ich bin der Sven.“ Jetzt spricht er meine Sprache. Danke, das hilft mir echt. Danach schickt er mich samt dem Pratzenkissen 3x richtig down und befiehlt mich wieder hoch auf die Beine. Ich taumel, keine Luft. Scheisse. Durch das Polster! Aber ich gehe inzwischen rein in den Mann und lasse nicht nur alles geschehen. Schmerz ist temporär und überhaupt am Schönsten wenn er nachlässt.

Sehr subtil – doch Meister Cezmi hat mich gesehen. Also irgendwas in mir, an mir, das es ihm ermöglicht einen Draht zu mir herzustellen. Das ich auf das höre was er sagt, steht ausser Frage.

Mein Sparring mit dem Weltmeister Bülent Karaman, ist eine reine Nervenprobe für mich. Der Mann ist groß wie ein Kühlschrank. Das bin ich selber auch, nur der Champ, hat entspannte 20kg Masse mehr als ich und weiß ganz genau wie es geht. Furchteinflössend.

Sagt doch was ihr wollt: Wer vor so einem Gegner keine Angst hat, weiß einfach nicht, was er verpasst. Abfahrt! Adrenalin. Das macht mich steif. Aargh! Doch das muss ich irgendwie überwinden – nützt nix! Schlagen wird er mich gleich sowieso. Klingt paradox, doch: Seine Schläge schmerzen weniger, wenn ich mich gegen ihn wehre.

Am Ende des Trainings nehmen alle Schüler Aufstellung und grüßen ab, nachdem der Meister abgegrüsst hat.

Ich nicht.
Ich mache alles falsch.
Bemerke es auch nicht.

Meister Cezmi nimmt mich freundschaftlich in den Schwitzkasten und lacht dabei.
„Man geht erst wenn der Meister es sagt.“ „Gib´ihm einfach einen Low Kick! Wenn er steht passt das.“ kommt von hinter mir. Zwei Stimmen lachen. Keine davon war meine. Eine gehörte Meister Cezmi, die andere Meister Bobo.

„Stark ist, wer keine Fehler macht. Stärker, wer aus seinen Fehlern lernt.“ so verabschiedet mich Meister Cezmi nach dem ersten Tag.

Osu.