Tyson Fury: Eine Geschichte, die so nur das Leben schreiben kann

Gypsy King startet durch

„Nobody“ Fury: Von null auf hundert eine Legende

Manchmal, wenn man glaubt, dass die großen Tage des Boxsports schon lange vorbei sind, kommt ein 2,06 m großer Ire aus Manchester um die Ecke und stellt deine Welt auf den Kopf.

Immer noch verstehe ich nicht, wie ein Mensch mit dem Körper eines Lastwagenfahrers, mit einem Lebenswandel, neben dem ein Partyhengst wie der verstorbene Playboy-Gründer Hugh Hefner wie ein Klosterschüler ausgesehen hätte, zu solchen Leistungen fähig ist. Es ist auch fast unglaublich, dass man von Deontay Wilder – dem Mann mit den härtesten Fäusten der Welt – zweimal in den Ringstaub geschickt wird, aber immer wieder aufsteht, sich schüttelt und weiter boxt, als wäre man nur gestolpert und eine Leistung zelebriert, die nur großen Legenden vorbehalten zu sein scheint. Ja, das sind große Worte und die aus der Feder von jemanden, der sich früher einmal wünschte, diesen Tyson Fury hätte es nie gegeben. Dumme Gedanken, oder?

Ein perfekter Körper ist nicht ausschlaggebend für gutes Boxen.

Als man hierzulande Tyson Fury das erste Mal registrierte, dachte man mehr an einen schlechten Scherz und sicherlich nicht an ein Versprechen für die Zukunft. Aber selbst als Fury 2015 einen Wladimir Klitschko zwölf Runden lang verprügelte, war man sich sicher, dass das nur Glück sein konnte und Klitschko einfach nur einen schlechten Tag hatte.

Kaum jemand konnte sich seinerzeit vorstellen, dass man vielleicht einen der größten Schwergewichte aller Zeiten gesehen hatte, also Fury und nicht diesen Klitschko, der im Gegensatz zum unförmigen Briten mit seinem perfekten Körper einer antiken griechischen Statue glich. Aber heute, in Zeiten von Leuten wie eben Fury oder auch Andy Ruiz Jr. weiß man, dass ein perfekter Körper schön ist, aber nicht ausschlaggebend für gutes Boxen.

Der Unterschied zu Klitschko

Wladimir Klitschko

Es mag den einen oder anderen jetzt zudem verwundern, aber Klitschko hatte in seiner Prime einfach nicht die Gegner, da das Schwergewichtsboxen eher mittelmäßig aufgestellt war. Als die wirklich starken Jungs kamen, hatte er (auch altersbedingt) keine Chance mehr. Ein guter Mann wie Dereck Chisora galt in Klitschkos „Herrschaftszeit“ als das oberste Regal des Schwergewichts. Als dann neben Fury auch Kämpfer wie Anthony Joshua und Deontay Wilder aber auch Schwergewichte wie Ex-WBO-Weltmeister Joseph Parker, Dillian Whyte oder Joshua-Bezwinger Ruiz u.a ins Rampenlicht traten, hatte das Schwergewichtsboxen wieder mehr Qualität und vor allem eine neue Dramatik.

Zur besten Zeit von Klitschko fällt mir nur ein Alexander Povetkin ein, der schon immer ein grandioser Techniker war, halt die alte und vor allem große russische Box-Schule, dem aber das letzte Quäntchen fehlte, um Wladimir Klitschko gefährlich werden zu können. Heute sind da gleich mehrere große Kaliber im Schwergewicht unterwegs, allen voran muss man nun auch Joshua-Bezwinger Oleksandr Ussyk nennen. Dazu aber später mehr.

„Nobody“ Fury, der Anti-Ali

Fury, das meine ich nicht despektierlich, ist im Boxring der absolute Anti-Ali, was aber überhaupt nichts macht, Als Fan wünsche ich mir überhaupt keinen zweiten Muhammad Ali, keine Kopie von Mike Tyson oder den menschgewordenen Traum einer fiktiven Filmfigur wie Rocky Balboa. Alle diese Ikonen sind einmalig und sie sollen sich in der „Hall of Fame“ meiner kleinen Gedankenwelt ausruhen und nicht durch jemand anderes ersetzt werden.

Nein, der Gypsy King, wie sich Fury auch nennt, ist einmalig und wir Boxfans sollten alle glücklich darüber sein, dass dieser sympathische Brite mit stolzen irischen Wurzeln sein Leben, das nach dem Sieg gegen Klitschko aus den Fugen geraten war, in den Griff bekam. Aber wer bringt schon einem „Nobody“ bei, wie man von null auf hundert ein großer Champion und eine Legende wird? PR-Agenturen, die einen verbiegen, bis man seine Herkunft und sich selbst verleumdet, um dann angeblich die bessere Version seiner selbst zu werden? Mit Verlaub, das ist Bullshit!

Autor seiner eigenen Erfolgsgeschichte

Die Antwort ist einfach: Das Leben ist unser Lehrmeister. Das Leben in all seinen Facetten verpasst einem das ganze Rüstzeug, um ein ganz Großer zu werden, mit einer Biographie, die immer wieder unbequem sein darf und ein Dasein, in dem zuvor niemand an einen geglaubt hat und in dem man mehrmals hinfällt und es trotzdem schafft aufzustehen, um sich gegen sein „vorbestimmtes Schicksal“, zumindest eines, das die Gesellschaft für einen vorgesehen hat, zu stellen, um die Geschichte seines Lebens selbst zu schreiben. Ja, Tyson Fury ist sozusagen ein großartiger Autor, der seine großartige Geschichte nicht mit Worten auf ein Stück Papier verewigt, sondern einer Gesellschaft vorlebt, die es in Teilen verlernt hat, ein eigenes faires Urteil bilden zu können, welches nur auf den eigenen Gedanken basiert und nicht von den Medien uns in unsere normierten Gehirne geimpft wird.

Fury ist der Alptraum jeglicher Normen

Es ist ein großartiges Gefühl über einen Boxer zu schreiben, der gegen alles spricht, was die große Werbewelt uns tagtäglich in bunten Bildern versucht zu verkaufen. Tyson Fury ist der Alptraum jeglicher Normen und die Auferstehung eines echten Nobodys, der aber den Makel hat, noch nicht alle Titel gewonnen zu haben. Jetzt kommt der zuvor schon erwähnte Oleksandr Ussyk ins Spiel. Seit der Ukrainer, der zuvor als der größte Cruisergewichtler aller Zeiten galt, ins Schwergewicht wechselte und zuletzt Anthony Joshua die Gürtel der IBF, WBA, WBO und IBO abnahm, steht wohl außer Frage, was wir Fans wirklich sehen wollen.

Aber da werden uns die Verbände, die Interessen der Medien und schon wieder der Werbewelt in die Quere kommen. Mit zwei oder drei Weltmeistern kann man mehr Geld machen, da jeder eine eigene Sendeplattform benötigt und somit mehr Werbegelder generiert werden können. So müssen wir erst mit dem Rückkampf zwischen Ussyk und Joshua vorlieb nehmen, da Joshua in seinem Kampfvertrag eine Rückkampfoption eingebaut hatte und diese selbstredend auch aktiviert hat. Und unser Held dieser Geschichte soll dem vernehmen nach seinen Titel gegen einen Pflichtherausforderer verteidigen, der zum jetzigen Zeitpunkt Dillian Whyte sein dürfte.

Entweder Usyk oder gar nichts?

John Fury
John Fury

Da aber das Schwergewicht so unvorhersehbar wie noch nie ist, müssen wir abwarten und nach vornehmer britischer Art Tee trinken, um zu sehen, was am Ende des Tages die Parteien mit den Geldkoffern vorhaben. Von DAZN und Co. wünsche ich mir, dass sie nobel genug sind, um einem möglichen Superfight zwischen Ussyk und Fury nicht im Weg zu stehen. Zu guter Letzt sollten wir hier auch Tyson Furys Papa John zu Wort kommen lassen, da es seiner Meinung nach für seinen Sohn nur einen Weg geben kann, nämlich den zu Ussyk.

Vorhang auf John Fury: 

„Entweder ist Usyk der Nächste oder gar nichts. Ich würde mich nicht um den Rest von ihnen kümmern, sie sind nicht in Tysons Klasse.“

Wow, so hart würde ich es zwar nicht ausdrücken, aber wäre ich der Vater von Tyson Fury, dann würde ich für meinen Sohn das Beste wollen. Und aktuell kann man sich nicht vorstellen, dass irgendwer den Gypsy King ernsthaft in Bedrängnis bringen kann. Aber das dachten viele von uns auch im Jahr 2015 von Wladimir Klitschko oder als der Snickers-Fan Andy Ruiz Jr. Weltmeister Joshua ausknocken konnte.

Oleksandr Ussyk

Übrigens, laut Promoter Eddie Hearn, der bestätigt hat, dass Joshua seine Rückkampfklausel gegen Usyk für März oder April nächsten Jahres aktiviert hat, wird ein britischer Schwergewichtsvereinigungskampf wieder auf dem Plan stehen, wenn „AJ“ seine Revanche gegen den Ukrainer bekommen hat. 

Wollen wir das? Sorry, aber hoffentlich gewinnt Ussyk dann ein zweites Mal. Ich für meinen Teil will erst einmal die Erfolgsgeschichte Fury sehen und danach gibt es 6-7 Jungs, die auch interessant sind. Aber das ist eine andere Geschichte und eine andere Zeit.

Attila

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