Der Uchi Deshi und der Tanz des Drachen

DesktopHallo Freunde des Kampfsports!

„Als Trainer bin ich aber fies“ (Meister Cezmi Karaman).

Es gibt Menschen, die auf diese Ansage versuchen würden, genau diesen Satz im Training bestätigt zu sehen, warum? Einfach um sagen zu können:“Stimmt.“ Doch was leidet darunter? Richtig: Das Training. Mir war es ehrlich gesagt, herzlich egal, was Meister Karaman damit gemeint haben könnte. Meine erste Regung, als ich ihn kennenlernte, war: Vertrauen.

Worte sind Worte. Nicht mehr und nicht weniger. Der Kontext, also der Zusammenhang der Bemerkung, ist hier entscheidend.

Wie Ihr wisst wurde ich von einem Großmeister gefragt, ob ich sein Schüler werden möchte. So etwas sehen oder kennen wir eigentlich bloß aus Filmen. Warum ausgerechnet mir das zuteil wurde? Ich habe beim besten Willen keine Ahnung. Ich bin ungelenkig, zu dünn, zu alt….eigentlich genau das krasse Gegenteil zu einem Kampfsportler oder Leistungssportler.

Als Schreiber bin ich Gast in vielen Welten.

Das ist jedes mal sehr spannend, weil ich mir bei meiner Arbeit vorstellen kann, einer dieser Abenteurer aus Büchern zu sein. Es gibt allerdings einen kleinen Unterschied zwischen dem bloßen Beobachten „von oben“ (recherchieren/nachlesen) und dem anschließenden berichten von irgendwas, wie es in meiner Zunft zu beobachten ist und dem realen Betreten einer Welt über die man etwas lernen möchte. Lese ich nur über etwas nach, brauche ich mich selbst, also mich als Mensch, nicht einbringen. Will ich jedoch eine Welt „erfahren“ muss ich dazu bereit sein sie zu betreten, mit ihr zu interagieren. Im Netz kann man beinahe alles nachlesen, was jemals über die Kampfkünste in irgendeine Höhlenwand gekritzelt wurde.

Kann man sich alles reinziehen – man bleibt so schlau, wie zuvor.

Die Entscheidung das Traumangebot anzunehmen traf ich, wenn Ihr so wollt, aus Unwissenheit, Neugier undprofigtt Abenteuerlust. Was mich erwarten würde, wusste ich ja nicht. Nur weil ich einem Doppelweltmeister mal beim Training zugesehen habe und ein eigenes Paar Boxhandschuhe besitze, bin ich ja nun nicht auf einmal ein Kämpfer, oder so. Es ist mein großes Glück, das ich körperlich halbwegs in der Lage bin, meine neuen Erfahrungen auch gelenkschonend und verletzungsfrei zu verarbeiten.

Das ist auch gut so, denn im Zusammensein mit Kampfsportlern ist mein Körper, nicht das Computerkeyboard oder meine Schreibmaschine, das Sprachrohr und Mittel zum Ausdruck meiner Ideen und meines Wissens.

Meines Wissens als Kämpfer.

Als Kämpfer bin ich allerdings eine vollständig unbeschriebene Festplatte, so zu sagen. Es gibt eine kleine Partition für Kampfsport, doch da wurde nie etwas dauerhaft gespeichert. Wir können zu 100% sicher sein, das so erfahrene Kampfsportler wie Großmeister Tasev und Meister Cezmi, das sofort gesehen haben, als ich halber Hahn um die Ecke gekommen bin und dennoch trage ich bereits einen Gi. Ihr kennt den Ausdruck „de ja vu“? Das sagt man wenn man das Gefühl hat, eine Situation wäre schon einmal geschehen. Ich hab das genau andersherum, also quasi ein „vu ja de“. Ich habe den starken Eindruck, das nichts von dem das ich momentan erlebe, schon einmal passiert ist.

Das ich lernfähig bin weiß Meister Karaman, ob ich lernwillig bin, DAS musste ich ihm beweisen. Nur wenn ICH mich freiwillig entscheide lernen zu wollen, kann ein Trainer mit mir arbeiten. Basis hierzu: Vertrauen.

ushi1Mittlerweile weiß ich, das ein Trainer nicht nur die Aufgabe besitzt seinen Kämpfer zu lehren, sondern vielmehr ihn zu schützen. Laute Ansagen ergeben sich aus meinen Fehlern. Wiederholen der Übung? Mein Fehler. Keine Luft mehr nach einer Minute? Mein Fehler. Hobeln gehört zum Handwerk, das ist kein böser Wille. Das ist Konditionierung. Es geht in erster Linie darum, das ich weiß was ich tue, sollte ich jemals einem Gegner gegenüberstehen.
Keine Vorkenntnisse, Lernfähigkeit und Lernbereitschaft – eine gute Basis für einen Kämpfer, wie mir scheint. Das Tolle ist: Ich muss mir hierüber keine Gedanken machen – es reicht wenn ich zum Training komme und das mache, was man mir sagt und das so gut ich kann.

Klingt doch entspannt, oder?

Wenn Kyokushin Karate nicht die härteste Form des Vollkontaktkarate wäre, würde ich sogar zustimmen. Eine Freundin hat es einmal so ausgedrückt:“Leute, die so Bilder posten, wie du, hatten entweder einen schweren Unfall oder wurden zusammengeschlagen und ausgeraubt.“ –

Langsam bin ich kein Anfänger mehr in der Gemeinschaft der Sportschule Chikara in Berlin-Schöneberg. Sicher, immer noch Weißgurt, aber die Prüfung, mein erstes Kumite gegen 10 Mann steht bevor. Die Vorstellung daran ist echt ätzend, weil mich eine Welt voller Schmerzen erwartet. Alle meine Trainingspartner warten auf diesen Moment – ich darauf Teil dieser Gemeinschaft von Kriegern zu werden. Klingt komisch, ich habe echt Angst und bin doch entschlossen zugleich. Irgendwie verwirrend. Mein Training ist intensiv, regelmäßig und ich mache langsam Fortschritte. Technik, Dehnung, Timing sind schon etwas besser geworden. An meiner Kondition arbeite ich hart. Doch auch Abhärtung muss ich üben.

Jetzt in der Sommerzeit habe ich die Möglichkeit etwas früher und vor allen anderen im Dojo zu sein. Meister Bilgehan, der Trainer unserer erfolgreichen Taekwondokas ist meist früh da und er hat nichts dagegen, wenn ich alleine vor dem eigentlichen Training am Sandsack übe. Naja, eigentlich bin ich ja nicht alleine. Ich habe die Stimme meiner Trainer im Ohr:“Deckung hoch! Mehr Hüfte! Mehr eindrehen! Schneller! Härter! Mehr bewegen – Atmen nicht vergessen.“ Mein Wunsch ist es das der schwarze Monstersandsack (125kg) pendelt, wie bei Bülent oder Alpay Karaman.

Wenn dieser Weg über blaue Schienbeine führt, dann ist das so. Wenn das Mistding nur mal einen Zentimeter pendeln würde! Das wär´s! Schmerz vergeht – den Sieg über mich kann mir niemand nehmen. Momentan trete ich gegen das Ding noch, wie gegen eine Wand.

Kontinuierlicher Aufbau.

Das letzte Training sah so aus das wir, nach einem Mörderaufwärmen zunächst Pratzentraining gemacht haben. Runden á drei Minuten. Die Hölle! Meister Karaman will Volldampf sehen! Nicht statisch rumstehen und aufs Kissen treten – nee – bewegen, bewegen, bewegen. Wie im Kampf. Davon mal abgesehen, das ich nach den ersten 45 Sekunden der ersten Runde, Schnappatmung habe, geht es soweit ganz gut. Zwei Runden weiter, halte ich die Pratze und übergebe mich beinahe mal wieder. Das geht die ganze Zeit so, ich muss dauernd würgen, aber ich halte durch und breche nicht auf die Matte. Runde um Runde. Niemals aufgeben! Bilal, einer meiner Trainingspartner ballert Low-Kicks in die Pratze das ich down gehe weil sie so hart sind. Schmerz lass nach. Ich bin dran. Weiter. Immer weiter. Ich atme wie eine Rennmaus, doch ich knall tatsächlich noch etwas heraus. Würde mir bewusst, wie im Eimer ich grade eigentlich bin, würde ich wahrscheinlich bewusstlos zusammenklappen, doch die Anweisungen von Meister Karaman leiten mich. Ich atme schwer und tief. Überkrass. Meister Karaman treibt mich an – weiter, immer weiterkämpfen! Er zieht mich weiter, immer weiter. Runde um Runde. Jetzt verstehe ich langsam worum es geht!

benlee pilli„Das ist Wahnsinn! Nein! Das – ist – Sparta!“

Hüfte rein und durchziehen! Ich baller rein was in meinem Körper drin ist. Meine Füße schmerzen, die Zehen werden blau und unter meinen Ballen bilden sich fette Blasen. Ich spüre sie ganz deutlich. Fuck. Zwei Runden weiter sind sie offen, rohes Fleisch, meine Füße brennen wie Feuer. Den Schmerz und die Wut darüber, kanalisiere ich in den nächsten Kick. Weiter immer weiter! „Los! Sven! Das kann nicht alles sein.“

Zeit!
Fudor.

Bin ich schon tot? Oder lebe ich tatsächlich noch? Ich versuche meine Dampflok-Atmung zu konzentrieren und blicke leer auf die Erde. Mein Wille tropft an mir herunter und tränkt die Matte. Meine Hände zittern, ich hab Hunger und Durst, mir ist nach weinen – ich will Heim.

Meister Karaman steht vor mir und sieht auf den Boden: Teile meiner Füße liegen verteilt auf der Matte. Er sieht mich an:

„Ist das von Dir?.“

„Ouss, Meister.“

„Sieh an – hier will jemand lernen.“

Meister Andre übernimmt den Sparring/Abhärtungsteil. Rotationsprinzip. Jeder mit jedem/jeder.

Neue Übung. Paarweise. Einer nimmt die Hände hinter den Kopf, der andere schlägt und tritt. Kein Block.

Zum Üben stehe ich vor Meister Andre. Wir beginnen, er schlägt mir auf die Brust…es wird schwarz vor meinen Augen, dann wieder hell und ich liege auf dem Hintern. Alle sehen mich an. Ich raff mich hoch. Meister Andre schon auf der Suche nach einem anderen Partner, als ich rufe:

“Los weiter!!“ schwankend nehme ich Kampfstellung ein. Klare Ansage.

Meister Andre zuckt mit den Schultern ein:„Denk dran: Du wolltest es so.“

Mit dem Rundengong feuert Meister Andre Schläge ab, die mir die Luft rauben, doch ich stehe. Die Schläge eines Gökce2Sempeis sind kein Spaß. Meine Fresse sind das Schmerzen! Einmal das Knie am Boden. Ich kann vor Schmerzen kaum noch klar denken, meine Arme kaum oben halten. Innerlich wachsen mir grade Hörner und es riecht nach Schwefel. Noch mehr Schläge einstecken und die Verwandlung ist perfekt! Zeit!

Jetzt, bin ich an der Reihe.

Meister Andre kritisiert die Ungenauigkeit meiner Schläge auf die Oberarme. Einverstanden. Wir schwitzen ja auch wie verrückt und sein Shirt ist nass. Meine Fäuste rutschen, logisch.
Anders sieht es dann aber schon bei Brust und Bauch aus.

Ich schlage so fest ich kann und immer auf dieselbe Stelle. Mann! Irgendwann muss doch auch ein Sempei mal eine Reaktion zeigen. Nur soviel: Meister Andre hat mich als sein Trainingspartner behalten für die folgenden Runden.

Eine Auszeichnung, glaubt mir.

Die Runden mit Meister Sigi sind ebenfalls sehr schmerzhaft und lehrreich. Nur einmal muss ich gegen Meister Sigiprofigtt
runter auf die Matte. Krümme mich jedoch mehrfach unter den fürchterlichen Schmerzen der Schläge eines Schwarzgurts des Kyokushin Karate. Lange halte ich das nicht mehr durch!

Uhr! Eine Minute Pause. Hiernach folgen „Entspannungsübungen“.

Low-Kicks und Jodan-Mawashi (Roundhousekick zum Kopf), wobei der Jodan-Mawashi geblockt wurde. Der Low-Kick sollte gefangen werden. Hierbei bin ich jetzt nochmal mehrmals übel down gegangen, gegen verschiedene Partner. So schlimm das ich die Auslage wechseln musste, um das verletzte Bein zu entlasten und um weiterzukämpfen. Seltsamerweise ist mein linker Mawashi technisch besser ausgeführt als der meiner „Schokoladenseite“, dafür sitzt mein rechter Low-Kick etwas besser.

Das übe ich mir aber noch weg.

Den Abschluß bilden Basis – Schlagkombinationen mit Gewichten und ungezählte Liegestütze. An dieser Stelle des Unterrichts, steht dann meist jemand neben mir und tritt mir in die Seite, als Motivationshilfe bei Liegestützen.

Als das Training vorüber ist, falle ich auf meine Knie. Ich häng´ eben hier und dort noch etwas durch. Was soll´s? Übung macht den Meister.
In diesem Sinne: Keep calm and practice Kyokushin.

Euer Uchi Deshi

Wie es weitergeht? Das erfahrt Ihr nur hier – auf German Fightnews!